Diplomierte Pferdeverhaltenstrainerin

Durchatmen. Innehalten. Warten.

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Ju
Durchatmen. Innehalten. Warten.
30.07.2017 12:38

In der neumodischen Zeit des Hetzens und dem sogenannten „Freizeitdruck“ wird es immer wichtiger die gemeinsamen Augenblicke einfach mal zu bewusst zu genießen, durchzuatmen, zu vertrauen und nicht an das Morgen zu denken. Irgendwann verliert man sich sonst, wenn auch unbewusst, in der Geschwindigkeit der Zeit.
Und genau dieses Innehalten gibt uns doch neue Energie. Warum wird dies so oft vergessen?

Pferde merken innere Spannungen noch deutlicher als Menschen in unserem Umfeld. Sie haben feine Antennen. Wieso also verübeln die Menschen den Pferden dann im Gegenzug ihre dementsprechende Reaktion?
Mit diesen Spannungen, Zeitdruck und Hektik können Pferde nicht umgehen und wenn sie es müssen, bedeutet es Stress.
Die innere Grundruhe fehlt oft komplett. Alles muss schnell gehen, am besten gestern. Manche denken in alten Schienen und möchten nicht nach links oder rechts sehen... "Das war ja schon immer so" . Viele hängen in der Vergangenheit fest, in der die Dinge „funktioniert“ haben. Dass aber in der Zwischenzeit (Vergangenheit bis dato), für den Menschen nichtssagende, negative Assoziationen für das Pferd stattgefunden haben, wird einfach außer Acht gelassen bzw. gar nicht wahrgenommen.

Fino hier im Bilde war gestern sage und schreibe das zweite Mal auf diesem Springplatz. Zu Anfang stand er dann gestern noch enorm unter Spannung, da auch sein Pferdekumpel fehlte und wir komplett alleine waren. Die Spannung hat sich durch Ruhe und vertrauten Aufgaben gelegt. Später dann hat mir vermittelt, er möchte sich wälzen: die Beinchen knickten immer wieder ein, doch er „traute“ sich nicht, sich komplett fallen zu lassen- die Umgebung war für ihn noch nicht sicher genug und er stapfte nervös durch das Gras.
Also vermittelte ich ihm, dass kein Grund zur Sorge besteht, indem ich mich ins Gras setzte. Ich genoss also hier schon den Augenblick der Ruhe und wartete einfach. Keine Minute später fand er Ruhe und ließ sich förmlich auf den Boden plumpsen. Sogar ein Liegenbleiben mit Fressen war möglich :) <3
Natürlich muss man immer die Situation abwägen (dies läuft irgendwann unterbewusst automatisch ab), in welcher man sich gerade mit dem Pferd befindet. Ich hätte zB niemals erwarten können, dass Fino sich zu mir legt, wenn andere Pferde auf dem Platz trainiert worden wären, oder draußen eine Herde Schafe vorbeigezogen wäre.

Und das ist schon der nächste Punkt. Erwartungen. Oftmals haben die Menschen Erwartungen an ihr Pferd, die völlig utopisch sind. Nehmen wir das Beispiel der Zuchtpferde- die Linie XY war hocherfolgreich im Springen, mein Fohlen muss im Springen ja ein Ass werden. Bei so erfolgreichen Eltern muss und kann das ja nur funktionieren. Zack- der Mensch hat automatisch ein bestimmtes Bild / Muster im Kopf, wie die etwaige Laufbahn des Fohlens / Pferdes ablaufen sollte. Er hat somit Wünsche und Erwartungen, die natürlich auch nach Möglichkeit erfüllt werden sollen.
Funktionieren…bei dem Wort sträuben sich mir im Hinblick auf Tiere die Nackenhaare: Eine Maschine kann und MUSS funktionieren, denn man kann sie nach unseren Wünschen programmieren. Wir umgeben uns aber mit Tieren, das sind Lebewesen. Natürlich können wir sie ein Stück weit "programmieren". Aber genau hier liegt der Knackpunkt. Im Programmieren werden, wenn auch nur minimale, aber dennoch ausschlaggebende, Fehler mit eingebaut. Zu schnell zu viel verlangen= Überforderung, Unterforderung, zu viel Druck, nicht dem Alter und der physischen und psychischen Entwicklung entsprechend, zu gewaltvoll, zu vermenschlichend und vor allem: nicht der Natur des Pferdes entsprechend, zB nicht ausreichende Bewegung, v.a.im Freien, zu wenig Sozialkontakte, mangelnde Luft- und Lichtverhältnisse.

Und wir Menschen sind doch auch nicht immer gleich drauf. Wir können uns aber tagtäglich, zB bei der Arbeit, sagen: Ich muss heute, trotz meiner Migräne, wie immer funktionieren, dass ich vom Chef keins aufs Dach bekomme. Wieso? Weil wir vorausschauend denken können, somit wissen wir: wenn ich zB nicht wie gewohnt funktioniere, bekomme ich evtl. eine Abmahnung oder die Kollegen reden schlecht. So. Ein Pferd ist aber gar nicht in der Lage vorausschauend zu denken. Somit kann sich ein Pferd nicht sagen: heute muss ich bei der Reitstunde funktionieren, sonst bekomme ich mit der Gerte eine übergebraten. Ergo: ein Pferd kann uns auch nicht „verarschen“, wie so oft und gerne behauptet wird! Ein Pferd kann nur aufgrund seiner laufenden Erfahrungen gewisse Dinge assoziieren und reagiert dementsprechend, unter Umständen sogar schon Sekunden eher.

Wir Menschen sind doch in der Lage nachzudenken.
Also tun wir es doch auch!

 

 

 

 

 

 

Stress
Veränderungen zulassen

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